Montag, 16. Dezember 2013

Monatsbrief November



Monatsbrief November

An alle Freunde, Verwandte, Bekannte und Interessierte!

Nun sind drei Monate und somit schon ein Vierteljahr um und ich kann es gar nicht fassen, wie schnell die Zeit vergeht. Ich fühle mich hier wie zu Hause und kann es mir gar nicht vorstellen, all das wieder verlassen zu müssen…aber bis dahin bleibt noch etwas Zeit.

Ja, diesen Monat gibt es wieder einiges zu berichten. Nun hat wirklich die Trockenzeit angefangen (als es zweimal geregnet hatte, hieß es, dass jemand Regen herbei gerufen hätte). Alles ist nun trocken, staubig, sandig. Überall werden Feuer gelegt, um das trockene Gras zu verbrennen (bevor alles unkontrolliert brennt, wird lieber kontrolliert abgebrannt und auch „ausgeräuchert“). Das kann einem trotzdem schon auch nicht ganz geheuer sein, wenn direkt neben dem Weg eine Feuerwand ist (auch direkt hinter dem Haus). Außerdem fliegen andauernd Aschefetzen durch die Gegend (auch ins Haus) und alles wird schwarz. Mit der Trockenzeit hat auch der Wüstenwind eingesetzt. Das heißt, dass es ab und zu fast schon Sandstürme gibt und man dann alles verschließen muss, damit man nicht den ganzen Sand abbekommt (zum Beispiel auch, wenn man im Klassenzimmer ist). Außerdem brennt der Staub/Sand öfters in den Augen. Tagsüber ist der Wind jedenfalls sehr warm (und es ist generell sehr warm), nachts kühlt es dann etwas ab.
Jedenfalls macht mir die Hitze hier gar nicht so zu schaffen und mittags ruhen sich die meisten sowieso ein bisschen aus. Wenn man dann in einem „Liegestuhl“ aus Holz döst, sieht man auch ganz gut auf die Straße. Da kommt es dann schon einmal vor, dass ein Tanklaster mit Ananas auf dem Dach (unbefestigt) vorbei fährt. Generell sieht man hier fast ausschließlich Autos, die sehr beladen sind (Autos gibt es hier aber nicht so viele) bzw. Motos, die alles Mögliche transportieren (auch 4 Schulkinder + Motofahrer). Ansonsten wird hier alles auf dem Kopf getragen. Zurzeit wird viel Holz geschlagen und das wird dann eben auf dem Kopf um Verkauf oder heimwärts getragen (manchmal sind das halbe Bäume). Doch nicht nur große Dinge, nein, auch die kleinsten wie z.B. ein Geldbeutel, werden auf dem Kopf transportiert. Jule und ich müssen da noch etwas üben, wenn wir unsere „gâteaux“ tragen.

Da Jule diesen Monat Geburtstag hatte, haben wir „gâteaux“ gebacken (frittierte Hafeteigbällchen). Diese hat Jule dann an ihre Ateliermädchen verteilt und um es auf die afrikanische Weise zu machen, den Plastikeimer (mit den Bällchen) auf dem Kopf getragen. So hat sie ungewollt Kundschaft bekommen, da sie von überall her gewunken und gefragt wurde, ob sie das verkaufen würde (für 25 F das Stück). Nachmittags kamen jedenfalls noch Saskia und Daniela (zwei andere Freiwillige, die im Waisenhaus sind) mit einem Schokokuchen (das Rezept war von mir), den sie bei Ursula gebacken haben (die hat sogar einen Backofen). So wurde es eine „richtige“ Geburtstagsfeier mit „Kindergeburtstagsspielen“, wie Topfschlagen (haben wir abends gemacht).

Diesen Monat war auch das „étrangère“- Haus belegt. Debora (17 Jahre, Nichte von Maman/Pastor) sollte an ihrer Hüfte operiert werden und musste den ganzen Monat darauf warten (da man nie genau wusste, wann die OP stattfinden wird). Da das Krankenhaus hier einen sehr guten Ruf hat (landesweit), kamen Debora und ihr Vater (auch Pastor und Bruder von Maman) extra vom Süden angereist (das Krankenhaus wird übrigens von italienischen Ärzten geleitet). Das lange Warten hatte auch für uns „Auswirkungen“, da es vor allem dem Pastor recht langweilig wurde und dann Beschäftigung gesucht hat, was echt anstrengend wurde („Du musst mein Englisch verbessern!“). Gegen Ende des Monats war es dann endlich so weit und die OP ging dann auch gut vorüber.

Ansonsten bin ich weiterhin in der Schule eingespannt (mal mehr, mal weniger). Bis jett ist alles immer noch SEHR kurzfristig („Achja, ich soll heute mit dem Direktor arbeiten, du übernimmst dann meine Klasse“, Lehrer morgens zu mir, d.h. schnell etwas für vier Stunden Unterricht ausdenken! Hab dann Französisch und Mathe gemacht). Solche Einsätze kommen in letzter Zeit häufiger vor (wenn meistens auch „nur“ für zwei Stunden). Deshalb habe ich auch schon Sport alleine und öfters Mathe unterrichtet (hat dann auch ganz gut funktioniert). In den jüngeren Klassen gebe ich weiterhin „Zeichnen“, wobei ich auch hier schon das „Lesen üben“ übernommen habe.
Das Lesen und Schreiben lernen läuft hier, meiner Meinung nach, etwas unglücklich ab. Oft gibt es zwei, drei Schüler, die schon ganz gut lesen können. Diese werden dann oft an die Tafel gestellt (wo der Text steht) und jeder Schüler muss dann einmal vorkommen und gemeinsam mit dem anderen Schüler (der schon lesen kann) lesen. Dabei liest eigentlich nur der eine (der schon kann), der andere wiederholt einfach nur (oft wird dabei nicht einmal der Text auf der Tafel angeschaut). Auch beim Schreiben werden die Wörter an der Tafel oft einfach nur abgemalt, ohne die Wörter zu verstehen. Selber schreiben ist deswegen meistens sehr schwierig. So kommt es dann, dass auch Schüler in den letzten Grundschuljahren weder wirklich lesen, noch schreiben können, sofern nicht zuhause geübt wird. Auch unser Nachbarkind (die Tochter vom Direktor) hat damit große Schwierigkeiten, weshalb wir abends zurzeit öfters schreiben, lesen, rechnen üben (der Direktor kommt meistens so spät, dass der keine Zeit dazu hat oder dann eher mit seinem Sohn übt, der jetzt in die Schule gekommen ist). Manche Leute sind auch der Meinung, dass das erst verbessert werden kann, wenn es Unterricht in Lesen/Schreiben auch in den Lokalsprachen gibt, da Französisch oft erst die Zweitsprache („Fremdsprache“) ist. Wobei es hier echt darauf ankommt, ob mit den Kindern zuhause gleichzeitig französisch und die Lokalsprache oder eben nur die eigene Sprache gesprochen wird. Aber nun zurück zu meiner Arbeit in der Schule.
Der Deutschunterricht am Collège wird langsam auch besser. Nachdem es einen Chaosunterricht gegeben hatte, als der Unterricht auf nachmittags von 16-18 Uhr verschoben wurde (weil von 10-12 Uhr jetzt Deutschlehrerversammlung am „großen“ Collège ist, wo ich auch teilnehme), hab ich nun eine etwas bessere Uhrzeit bekommen (15-17 Uhr) und musste auch schon eine „devoir“ (Klassenarbeit) schreiben lassen. Seitdem läuft es besser.

Diesen Monat kam auch schon eine Kommission an die Schule und hat sich alles genau angeschaut. Das Ergebnis dieser Untersuchung lautete, dass die Klassen zu groß sind, es zu wenig Lehrer bzw. Klassenzimmer gibt und das verbessert werden muss. Das will der Pastor zurzeit auch ändern, in dem er zwei neue Zimmer bauen lässt und zumindest die zwei größten Klassen teilen will. Allerdings kostet das alles sehr viel Geld!

Mit dem Geld ist das auch etwas komplizierter, da wir nicht einfach hier unser Geld abheben können, sondern jedes Mal nach Natitingou müssen (in Tanguiéta gibt es keinen Geldautomaten). So fahren wir immer einmal im Monat dort hin, heben unser Geld ab, das wir für die kommende Zeit brauchen werden und treffen uns dann noch mit den anderen zwei Freiwilligen, die hier Deutschunterricht geben. Das ist dann auch eine ganz schöne Abwechslung (man kommt dann etwas „raus“ aus Tanguiéta). Allerdings muss man immer schauen, dass man ein Autotaxi erwischt, das dann auch voll wird, da man sonst die anderen Plätze mitbezahlen muss. Das heißt also rechtzeitig zum „Taxistand“ kommen und dann warten, auf andere Fahrgäste.
Eine andere Alltagsabwechslung haben wir noch im Chor gefunden. Jeden Donnerstag- und Samstagabend ist Singstunde, die dann schon 2 bis 2,5 Stunden gehen kann. Dabei lernt man den Text auswendig (Maman, die Dirigentin, singt den Text und Melodie vor, alle singen nach, Noten gibt es nicht, Text können nicht alle lesen) und man ist eigentlich fast nur am Singen. Das Singen ist hier auch etwas anders, da jeder einfach LAUT singt und es so einfach richtig Spaß macht. Dazu kommen dann, je nach Lied, auch Tanzbewegungen, wobei es dann für uns schon komplizierter wird (man muss auf Takt, Füße, Melodie und Text achten und alles ist neu. Sogar zwei Weihnachtslieder lernen wir zurzeit (der Text ist bei den meisten Liedern auf Französisch).

Eine etwas unangenehme Entdeckung habe ich diesen Monat auch schon gemacht. Während ich draußen in der schönen, warmen Dunkelheit mit meiner Taschenlampe Zähne geputzt habe, flog im Schein meiner Lampe ein Tier seine Runden (dachte erst an eine Libelle). Bis es plötzlich an mein Bein flog, sich festkrallte und ich sah, dass es eine etwa 12cm große Gottesanbeterin war. Seitdem graust es mir jedes Mal beim Anblick dieser Tiere, zumindest wenn sie durch die Gegend fliegen (sind zwar nicht gefährlich und machen nichts, aber wenn man so ein Ding am Fuß hängen hat…). Tja und seit der Trockenzeit und den Feuern gibt es massig Skorpione. Weitere zwei waren nun schon bei uns im Zimmer (wurden einmal vom Direktor, einmal von der Frau des Direktors erschlagen). Auch eine Schlange wurde von der Frau des Direktors schon vor unserem Haus gesehen (da waren wir gerade nicht da). Die Anzahl der Hühner des Direktors hat sich mittlerweile auch geändert. Eines Tages ist der Hahn einfach verschwunden, wurde anscheinend gestohlen. Ein Huhn wurde gegessen und eines hat seine Eier ausgebrütet (ein paar Küken sind geschlüpft). Damit Küken und Huhn nicht auch gestohlen werden, wurden sie zu Bekannten gebracht. Dem Hund haben wir beigebracht auf den Namen „Balu“ zu hören und mittlerweile rufen ihn auch alle so.

Uns geht es hier weiterhin sehr gut und abgesehen von etwas Halsweh (und Jule hatte einen Tag keine Stimme) waren wir diesen Monat auch nicht krank. Dafür haben wir jetzt ein Bett, das abends ohne Vorwarnung von zwei Handwerkern gebracht und aufgestellt wurde (im Dunkeln mit Taschenlampen und wir waren gerade am Essen). Da aber das Bett für beide Matratzen etwas zu klein ist, müsste einer am auf der Kante bzw. am „Berg“ schlafen. Deswegen habe ich mich entschlossen wieder auf der Natte und auf dem Boden zu schlafen, bis wir vielleicht einmal eine passende Matratze bekommen…
Mein genauerer Projektebericht steht nun weiterhin offen (ich habe hier einfach zu viel zu tun), versuche ich aber diesen Monat wirklich zu schreiben.
Wenn ich den nächsten Monatsbrief schreibe, ist Weihnachten und Neujahr schon vorbei. Deswegen wünsche ich euch allen eine schöne Advents-/ Weihnachtszeit und ein gutes neues Jahr! Bei mir wird es dieses Jahr ein sehr warmes Weihnachten!

Viele liebe Grüße aus Tanguiéta,

Laura